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Untersuchung der Tumorheterogenität am Beispiel Fusionsgetriebener Sarkome

Das Konsortium HEROES-AYA ist zur Förderung im Rahmen der Dekade gegen Krebs empfohlen worden. Es will die Mechanismen der Tumorheterogenität am Beispiel von bestimmten Sarkomformen genauer erforschen und innovative Therapieansätze finden.

Diversität von Sarkomzellen_by Johanna Wagner-Labor Prof. Fröhling
Molekularbiologische Einzelzellanalyse. Jeder Punkt ist eine Zelle. Links: die Farben repräsentieren die verschiedenen Krebs- und anderen Zelltypen eines Sarkomtumors. Rechts: Viermal die Zellen wie links, nun jeweils ein Membranprotein angefärbt. Die Farbintensität variiert, je nachdem wie viel jede Zelle davon produziert. Jeder Zelltyp hat typische Proteine. © Johanna Wagner/Fröhling Lab

Die Abkürzung HEROES-AYA steht für: Heterogenität, Evolution und Resistenz von durch Fusionsgene getriebenen Sarkomen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen.

Diese Tumoren treten besonders häufig im Jugend- und jungen Erwachsenenalter auf und entwickeln im Verlauf der Erkrankung häufig eine Resistenz gegen ursprünglich wirksame Medikamente oder kehren nach zunächst gutem Ansprechen auf eine Therapie zurück. Bislang ist eine langfristige Heilung schwierig.

In mehreren Teilprojekten will das interdisziplinäre Konsortium HEROES-AYA herausfinden, wie es zur Therapieresistenz bei den Sarkomen kommt und Wege finden, das zu verhindern. Die Erkenntnisse sollen dann in einem zweiten Schritt auf andere Tumorarten übertragen werden.

Als Ursache für rasch auftretende Resistenzen gilt die Ausbildung verschiedenartiger Zellen in unterschiedlichen Regionen des Tumors. Diese nutzen unterschiedliche Wachstumsstrategien, um sich zu verbreiten. Die Vielfalt an Krebszellen nennt man Tumorheterogenität, die unterschiedlichen Zellbereiche Tumorzellklone. Im Krankheitsverlauf können sich die Zellklone weiter (auseinander-)entwickeln, das wird als Tumor-Evolution bezeichnet. Dies kann u.a. durch den Anpassungsdruck, der durch die Therapie auf die Krebszellen einwirkt, noch beschleunigt werden.
Mehr zum Hintergrund dieses Themenkomplexes

Moderne Krebsmedikamente zielen hochspezifisch auf einzelne Wachstumswege von Krebszellen ab. Die große Varianz an Wachstumsmöglichkeiten, die die Krebszellen mit zunehmender Heterogenität erlangen, macht es schwer, sie mit einer Therapie alle gleichermaßen anzugreifen. Unter den verschiedenen Krebszellen finden sich so immer wieder solche, die überleben. Diese resistenten Klone nehmen den Platz derer ein, die eliminiert wurden und überwuchern sie.

Wie kommt es zur Tumorheterogenität?

Die Forschenden wollen nun genauer erforschen, was im Verlauf der Krankheit innerhalb einzelner Tumorzellen und zwischen den Zellklonen abläuft, welche Veränderungen (s. Kasten) auftreten und damit zur Entwicklung der Tumorheterogenität führen.

Die Hoffnung: Ein passgenaues Medikament zu finden bzw. zu entwickeln, das genau hier eingreift.

Der Ausgangspunkt der Krebsentstehung bei diesen Sarkomen ist ein so genanntes Fusionsgen.

Was sind Fusionsgene und was haben sie mit Krebs zu tun?

Als Fusionsgene bezeichnet man zwei Gene, die zu einem einzigen verschmolzen sind. Fusionieren dabei, wie im Fall der oben genannten Sarkome, Gene für die Herstellung von wachstumsfördernden Proteinen mit solchen, die die Anweisung für eine besonders häufige Ablesefrequenz enthalten, werden vermehrt wachstumsfördernde Proteine gebildet. Das kurbelt die Vermehrung der Krebszellen an.

Warum sich diese Krebsart besonders als Studienobjekt eignet

Fehler auf genetischer und nicht-genetischer Ebene einer Zelle können dazu führen, dass sie zu einer Krebszelle wird. Fusionsgetriebene Sarkome bei jungen Menschen zeichnen sich initial durch eine relativ geringe Anzahl an Veränderungen aus. Das macht sie zu einem gut zu erforschenden Modell, um den schrittweisen Erwerb der Veränderungen in den Tumorzellen nachzuzeichnen und z.B. das Einsetzen des selektiven Drucks durch die Therapie zu erkennen.

 „Omics“-Analysen

Die krankhaften Veränderungen lassen sich mithilfe so genannter „Omics“-Technologien analysieren. Sie decken Fehler in den Krebszellen auf, u.a. an ihrem Erbgut (engl.: genomics), an den Regulationsmechanismen des Erbguts (engl.: epigenomics), an den Boten-Molekülen für die Proteinproduktion (engl.: transcriptomics), den Proteinen der Zelle (engl.: proteomics) und den Stoffwechselzwischenprodukten (engl.: metabolomics).

Noch gezieltere Analyse ermöglichen Einzelzellbasierte Sequenzierungstechniken

Diese innovativen Methoden gehören zu den Omics-Technologien, sind aber eine Weiterentwicklung. Zuvor konnte man nur eine Zellmischung untersuchen, mit ihrer Hilfe lassen sich nun auch einzelne Krebszellen analysieren. So lassen sich die gefundenen Veränderungen einzelnen Zellen (bzw. den Zellklonen) zuordnen.

Die Forschenden wollen das nutzen und Tumorzellen von Betroffenen zum Zeitpunkt der Diagnose und nochmals beim Auftreten einer späteren Resistenz untersuchen und vergleichen, welche Veränderungen im Verlauf der Erkrankung entstanden sind.

Auch den Auslöser für das Auseinanderdriften der Zellklone und was genau dabei auf Stoffwechselebene passiert, wollen die Konsortialpartner aufklären. Die Therapie selbst ist ein Faktor, der die Ausbildung von Zellklonen und damit die Entwicklung einer Resistenz gegen bislang wirkungsvolle Medikamente beschleunigt. Reagiert der Tumor auf ein Medikament nicht mehr, können Ärztinnen und Ärzte neue Medikamente gegen die entsprechenden Wachstumswege einsetzen. Doch irgendwann sind alle zur Verfügung stehenden Wirkstoffe ausgeschöpft, der Tumor ist resistent. Weiß man, was die klonale Evolution begünstigt, lassen sich Ansatzpunkte suchen, um dies möglichst frühzeitig verhindern zu können.

So wollen die Forschenden vorgehen

Bei einer Patientin oder einem Patienten kann man nicht einfach die Zeit zurückspulen und sich ansehen, wie der Krebs begonnen hat. Daher greifen die Konsortialpartner auf Tumorzellproben aus bereits existierenden großen klinischen Studienplattformen zurück: der translationalen Programme INFORM und MASTER. Etwa ein Drittel der in INFORM und MASTER Behandelten leiden an fusionsgetriebenen Sarkomen.

Welche Veränderungen haben Relevanz für das Krankheitsgeschehen?

Die so aufgedeckten Veränderungen auf Einzelzellbasis können mit den aufgezeichneten klinischen Verlaufsdaten der Patientinnen und -patienten aus den INFORM und MASTER-Registern abgeglichen werden, um zu sehen, welche Auswirkung sie auf den Verlauf der Erkrankung hatten.

Die gewonnenen Erkenntnisse sollen dann im Labor an Zellen und in lebenden Organismen validiert werden, damit neue therapeutische Ansatzpunkte zur Überwindung der mit Tumorheterogenität verbundenen Behandlungsresistenz ermittelt werden können.

Am Ende steht die Entwicklung innovativer klinischer Studien, die die Patientenversorgung bei Sarkomen in allen Altersgruppen verbessern sollen. Damit wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch dem klinischen Bedarf der vor allem junge Menschen betreffenden Krebsarten begegnen.

Das Konsortium umfasst Forschende am

  • Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ)
  • Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT), Standorte Heidelberg und Dresden
  • Hopp Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg

den Universitätskliniken:

  • Essen
  • Tübingen
  • Berlin (Charité)

sowie der

  • Technischen Universität Dresden
  • Technischen Universität München
  • und dem Klinikum Stuttgart

Koordinator ist Prof. Dr. med. Stefan Fröhling. Er leitet die Abteilung „Translationale Medizinische Onkologie“ am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und ist Geschäftsführender Direktor des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT), beides in Heidelberg.

Und – eine wichtige Vorgabe für die Förderung: An der Arbeit des Konsortiums werden Vertreterinnen und Vertreter der Deutschen Sarkom-Stiftung beratend beteiligt. So ist sichergestellt, dass die Sichtweise Betroffener sowie deren Erfahrungen mit der Erkrankung im Alltag mit in die Forschung einfließt. Zum anderen werden sie helfen, patientenorientierte Informationen für die geplanten klinischen Studien zu erstellen.

Mehr Beteiligung von Patientinnen und Patienten in der Forschung ist ein Ziel der Nationalen Dekade gegen Krebs und eine Vorgabe für eine Förderung durch das BMBF. Warum das so wichtig ist.

Partner und Unterstützer