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Blick auf individuelle Bedürfnisse richten

Susanna Zsoter bloggt als „Krebskriegerin“ über ihre Krankheit. Mit 29 Jahren wurde sie Palliativpatientin. Sie wünscht sich, dass durch die Nationale Dekade gegen Krebs die Belange junger Patientinnen und Patienten stärker berücksichtigt werden.

Porträt Susanna Zsoter Porträt Susanna Zsoter
Porträt mit Wirkung: Susanna Zsoter strahlt auf diesem Bild des Vereins Nana-Recover your Smile. Der Verein veranstaltet für an Krebs erkrankte Menschen kostenfreie Make-up-Workshops, an deren Ende ein professionelles Foto entsteht. Ziel ist es, den Patientinnen und Patienten, die  oft unter körperlichen Veränderungen leiden, durch ein schönes Porträt neues Selbstvertrauen zu schenken.  © Recover your Smile e.V.

„Krebs trifft nicht immer nur die anderen. Krebs kann jeden treffen, auch junge Leute.“ Susanna Zsoter weiß, wovon sie spricht. Die Krankheit hat sie getroffen – mit massiver Wucht. Nach einer Darmoperation kommt vor dreieinhalb Jahren völlig überraschend die Diagnose. Ein 6,5 Zentimeter großer Tumor wird entdeckt, ein Lymphknoten ist bereits befallen. Für die junge Frau aus Bayern bricht die Welt zusammen. Aber sie will sie wieder zusammensetzen. Chemotherapie, eine Therapie mit Antikörpern und eine Immuntherapie – Susanna folgt allen medizinischen Behandlungsvorschlägen und nimmt „gefühlt jede Nebenwirkung“ mit. Erträgt die massiven Begleiterscheinungen, doch der Erfolg bleibt aus. Der Krebs breitet sich in ihrem Körper aus, befällt Bauchraum und Leber. Keine Heilungsaussicht, heißt es. Mit 29 Jahren ist sie Palliativpatientin, das bedeutet, es gibt keine heilende Therapie mehr, ihre Lebenserwartung ist begrenzt.

Was soll sie nun tun? Auf den Tod warten? „Ich hab’ keinen Bock zu sterben. Muss jetzt kämpfen“, diese Gedanken schwirren durch ihren Kopf. Sie tippt sie in ihren Rechner. Die junge Frau wird zur „Krebskriegerin“, bloggt über ihre Krankheit, über ihre Ups and Downs. „Zum Teil auch, weil in unserem Umfeld viele Leute Anteil genommen haben und etwa meinem Verlobten immer nach meinem Befinden gefragt haben. Da wollte ich ihn entlasten, bei Facebook konnten alle verfolgen, was gerade bei mir los war“, schildert Susanna Zsoter. Ihr tut es gut, über ihr Schicksal zu schreiben. Sie beginnt zu bloggen.

Auch mit Krebs gibt es schöne Momente

Die Resonanz ist überwiegend positiv. Susanna berichtet aus ihrem Alltag, erzählt wie sie mit den Folgen ihrer Krankheit,  etwa Heißhungerattacken oder schlechten Leberwerten, umgeht. „Mir hilft mein Blog dabei, den Krebs und die vielen für mich schlimmen Erlebnisse zu verarbeiten und die Trauer über mein Schicksal zu bewältigen. Zudem zeige ich, dass mit einer Krebsdiagnose das Leben nicht gleich zu Ende ist, sondern immer noch schön und lebenswert sein kann“, so die 31-Jährige.

Dabei hat ihr öffentlicher Umgang mit ihrer Situation als Palliativpatientin nicht nur schöne Seiten. Wie wohl viele, die sich in den nicht immer sozialen Medien bewegen, erhält sie auch üble Post.  Pöbelei, abwertende Kommentare über ihr Äußeres sowie die Missbilligung ihrer persönlichen Gedanken im Blog setzen ihr ziemlich zu. Anfangs verstummt sie, schweigt einige Wochen. Doch ihre Nehmerqualität setzt sich durch. Die Krebskriegerin bloggt weiter. „Ich mache vielen Menschen Mut. Das soll nicht zerstört werden durch missgünstige Stimmen, die mich persönlich runtermachen“, sagt Susanna Zsoter.

Der Verlust der Unbeschwertheit bedrückt sie

Sie zeigt sich weiterhin offen und auch verletzlich, wenn sie darüber schreibt, dass sie sich um ihre Lebenszeit betrogen fühlt. Sie trauert verpassten Chancen nach, etwa bei dem Gedanken, dass sie wahrscheinlich nicht selbst Mutter werden kann. Eine Arbeit in Vollzeit und damit eine berufliche Karriere scheint ebenfalls nicht mehr möglich. Auch der Verlust ihrer Unbeschwertheit macht der jungen Frau zu schaffen. Und doch will sie optimistisch nach vorn sehen. „Meine Tage sollen mit so viel Freude und Lebensqualität angefüllt sein, wie es nur geht“, sagt die junge Frau.

Informationen, die auch für Laien verständlich sind

Qualität ist auch das Stichwort, wenn sie aufzeigt, was im Umgang mit Erkrankten besser laufen könnte. Mehr Sensibilität für die Situation der Betroffenen wünscht sie sich. Eine klare Sprache, die auch Laien verständlich macht, worum es geht. „Mein Verlobter hat damals mühsam mit Hilfe des Internets meine Arztbriefe übersetzt“, schildert sie. „Er wurde zu meinem Krebs-Manager. Auf mich ist so viel eingeströmt an Gefühlen, Informationen, Entscheidungen – das war überwältigend. Ohne meinen Freund hätte ich nicht damit umgehen können.“ Ein Informationsportal zu Forschungs- und Studienergebnissen, das auch Laien verstehen, fände sie gut.

App, die an das Einnehmen der Medizin erinnert

Zur Entlastung ihres Alltags würde sich die junge Frau mehr digitale Unterstützung wünschen – aus ihrer Sicht auch eine der Aufgaben, die in der Nationalen Dekade gegen Krebs angegangen werden könnte. „Unsere Welt wird immer digitaler. Aber mir fehlt bislang ein digitales Tool, in dem alle meine Unterlagen vom aktuellen Blutbild bis zu allen bisherigen Arztbriefen abgerufen werden können und das mich an das Einnehmen von Medikamenten erinnert – das wäre hilfreich“, sagt sie. Für Betroffene wie Susanna Zsoter ist es nötig, wichtige krankheitsrelevante Merkmale wie beispielsweise bei Darmkrebspatienten Stuhlfrequenz und -art oder Müdigkeit, Erschöpfung, Übelkeit zu dokumentieren. „All dies gibt es zwar in vielen verschiedenen Apps, aber ein Tool, in dem der gesamte Krebs ,verwaltet‘ wird, gibt es leider nicht. Es wäre auch gut, die Informationen bestimmten Personengruppen zugänglich zu machen, etwa per Mailversand der Blutwerte und Untersuchungsergebnisse“, beschreibt sie.

Ordentliches Daten- und Dokumentenmanagement

Susanna Zsoter hat sich sogar schon Gedanken über das Thema Datensicherheit gemacht. „Ich könnte mir userseitig gut vorstellen, dass ich Benutzergruppen anlegen und mit verschiedenen Rechten ausstatten kann, welche meiner Daten sie sehen oder als Datei exportieren und versenden können. Mit einem gut gelösten Benutzermanagement in einer App kann man schon viel regulieren, wenn es um die Datennutzung geht. Man muss im ersten Schritt ja auch keine Schnittstelle mit Krankenhäusern oder Krankenkassen  schaffen. Ein ordentliches Daten- und Dokumentenmanagement mit selbst festgelegten Benutzern wäre schon eine große Hilfe“, meint sie. Aus ihrer Sicht ist es sinnvoll, sich einen Medikamenteneinnahmeplan mit der Person zu teilen, die sich hauptsächlich um den kranken Menschen kümmert. Das kann der Partner oder sie Partnerin sein oder auch eine Pflegekraft. „Die könnten dann sehen, ob ich meine Medikamente rechtzeitig genommen habe. Und  eine Erinnerung bekommen, falls nicht, oder falls die Packung sich dem Ende neigt“, so die junge Frau. „Blutwerte, Statistiken und Arztbriefe könnte ich nur für mich freischalten und als Dokument per Mail an die entsprechende Stelle versenden. So habe ich selbst in der Hand, wem ich welche Daten zugänglich machen möchte.“

Persönliche Situation der Betroffenen berücksichtigen

Grundsätzlich wünscht sich die 31-Jährige, dass mehr eingegangen wird auf die persönliche Situation der Patientinnen und Patienten. Junge Betroffene etwa haben andere Bedürfnisse als ältere. „Wir Jüngere wollen anders angesprochen werden und wir haben andere Thema“, meint Susanna Zsoter. Sie nennt das Beispiel Schmerzpumpe. Diese raubte ihr die Mobilität, deshalb wünschte sie eine Alternative, angepasst an ihre Bedürfnisse. „Ich hätte gerne nochmal Urlaub gemacht. Am liebsten mit einer Anreise im Flugzeug, das wäre die am wenigsten anstrengende Variante. Doch darf man mit Schmerzpumpe nicht fliegen. Auch gab es nur eine Kassettengröße für maximal eine Woche und der Wechsel muss von Fachpersonal durchgeführt werden“, erklärt die Patientin. Die Schmerzpumpe sei hervorragend gewesen, solange sie immobil war und im Rollstuhl saß. „Dort konnte ich sie einfach an den Griff hängen oder auf den Schoß legen, aber sobald ich anfing zu laufen, war es mir aufgrund der immer noch vorherrschenden Schwäche unmöglich, sie wirklich lange zu tragen, ohne erschöpft zu sein oder davon Schmerzen in der Schulter zu bekommen“, schildert Susanna Zsoter.

„Lieber gute Tage als viele Tage“

„Forderungen führen unter Umständen zu spannungsgeladenen Situationen, denn mündige Patientinnen und Patienten werden als unbequem wahrgenommen“, so ihre Erfahrung. „Für einige der Ärztinnen und Ärzten ist mein Umgang mit der Krankheit ungewohnt. Mir geht Qualität vor Quantität, ich hätte lieber gute Tage als viele Tage und ich glaube, das Eingehen auf die individuelle Persönlichkeit des kranken Menschen könnte noch ausgebaut werden. Für mich selbst spreche ich jetzt nicht, ich werde sehr individuell betreut. Ich kann meine Bedürfnisse deutlich formulieren und bekomme auch an den meisten Stellen die Hilfe, die ich brauche. Aber mein Wunsch wäre es, dass das auch in der Standardtherapie der Fall ist – und nicht Schema F.“

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Susanna Zsoter erhielt im Frühsommer 2016 die Nachricht, dass alle klassischen Therapieoptionen ausgeschöpft sind. Im August begann sie versuchsweise eine neuartige Immuntherapie, kurz darauf ging es ihr besser. Auf Facebook begann sie unter dem Namen „Krebskriegerin“ zu bloggen – auch mit dem Ziel, darüber aufzuklären, dass Darmkrebs keine Krankheit ist, die nur ältere Menschen betrifft. Sie beantwortet Fragen, gibt Tipps und macht zudem auf Vorsorgemöglichkeiten aufmerksam. 5.000 Menschen folgen ihr in den sozialen Netzwerken.

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