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Patienten zur Beteiligung befähigen

Patientenbeteiligung ist ein Kernthema der Dekade gegen Krebs. Aber wie werden Betroffene zur praktischen Mitarbeit befähigt, die bereits in der Forschungsphase beginnt? Patientenschulungen, -akademien, -beiräte und -fürsprechende helfen, die Patientenperspektive in die Forschung einzubringen.

Um den Patientennutzen mehr in den Fokus der Forschung zu rücken, unterstützt die Nationale Dekade gegen Krebs die Patientenbeteiligung in der Forschung (partizipative Forschung). Mit Hedy Kerek-Bodden vom Haus der Krebs-Selbsthilfe - Bundesverband e.V. und Jan Geißler von EUPATI/Patvocates Deutschland sitzen zwei Patientenvertretende im Strategiekreis der Nationalen Dekade gegen Krebs, die für eine Einbindung der Patientensicht in die Krebsforschung eintreten und ihre Erfahrungen damit in die Dekade gegen Krebs einbringen.

Patienten fit machen für die Beteiligung auf Augenhöhe

Die Tätigkeit ist ehrenamtlich und erfordert verschiedene Kompetenzen und Sachkunde. Daher ist eine angemessene Vorbereitung wichtig, dazu gehören Zugang zu relevanten Informationen sowie Weiterbildungen.

Schulungen Patientenvertreter Weiterbildungen ermöglichen Patientenvertreterinnen und -vertretern eine Beteiligung auf Augenhöhe.
Weiterbildungen ermöglichen Patientenvertreterinnen und -vertretern eine Beteiligung auf Augenhöhe. © gettyimages/vm

In entsprechenden Schulungen werden Patientinnen und Patienten wissenschaftlich fundiert, objektiv und umfassend zu grundlegenden Prinzipien z. B. der Arzneimittelforschung und -entwicklung informiert, sodass sie bei der Entwicklung von Arzneimitteln, bei Zulassungsbehörden und -gremien und in Ethikkommissionen effektiv und auf Augenhöhe beraten können.

Was nützt partizipative Forschung den Patienten?

Aufgrund ihrer detaillierten Kenntnisse über das Leben mit der Krankheit kann die Beteiligung von Patientinnen und Patienten in frühesten Stadien die Priorisierung der Arzneimittelforschung und -entwicklung auf Aspekte mit einem hohen Nutzen für die Betroffenen sicherstellen.

Das ist der Fall, wenn das Erfahrungswissen der Betroffenen in Entscheidungen einbezogen wird und sich durch die Forschung z.B. so genannte patientenrelevante Endpunkte spürbar verbessern, wie:

• die Lebensqualität (wie fühlt er/sie sich, wird das Leben noch als lebenswert empfunden)
• die Morbidität (wie stark ist sie/er gehindert, im Alltag zu funktionieren)
• die Mortalität (wie groß ist der Gewinn an Überlebenszeit).

Sie lernen grundsätzliche Begriffe der medizinischen Forschung wie Evidenz (wann sind Erkenntnisse verlässlich, mehr dazu unter Weitere Informationen am Textende) kennen und wie man Evidenz generiert. Zudem werden ihnen Kompetenzen wie Rhetorik und Gesprächsführung, Nutzung von sozialen Medien zu Kommunikations- und Recherchezwecken sowie das Lesen einer Studie und dazu notwendige statistische Kenntnisse vermittelt. Auch die Aufklärung über Aufgaben, Rechte und Pflichten von Patientenvertretenden, über die Rechte von Patientinnen und Patienten sowie Strukturen und Entscheidungsprozesse im Gesundheitswesen findet in solchen Trainings statt.

Schulungen bieten u.a. die Stabsstelle Patientenbeteiligung beim Gemeinsamen Bundesausschuss für benannte Patientenvertretende oder EUPATI (die Europäische Patientenakademie) an. Auch die Selbsthilfe schult Betroffene zum Zwecke der Beteiligung.

Vorgaben für die Mitarbeit von Patientenvertretenden

Patientinnen und Patienten müssen unabhängig sein, auch wenn sie mit verschiedenen Interessensgruppen zusammenarbeiten und teilweise innerhalb der Einflusssphäre agieren. Daher sind Regelungen für die Zusammenarbeit von Betroffenen mit Zulassungsbehörden, Ethikkommissionen oder Industrie wichtig. Insbesondere nachfolgende Punkte sollten hierbei bedacht werden:

  • Transparenz über Interessenskonflikte und erhaltene Vergütung
  • Verwendung und Konsens über geeignete Werkzeuge und Methoden in der Arbeitspartnerschaft
  • schriftliche Vereinbarungen, u.a. zu Datenschutz, Vertraulichkeit, geistige Eigentumsrechte und Verwendung von Information über Ergebnisse (z.B. Studienergebnisse, wenn es sich um eine Zusammenarbeit im Rahmen einer Studie handelt)
  • faire Aufwandsentschädigung für die ehrenamtlich arbeitenden Patientenvertreterinnen und -vertreter

Mehrwert für die Forschung und Entwicklung

• Mehr Relevanz
Erst durch Einbezug von Betroffenen wird Forschung bedarfs- und bedürfnisgerecht. Das erhöht die Relevanz, Qualität und Glaubwürdigkeit von Forschung.
• Mehr Demokratie
Der Forschungsprozess wird demokratischer, durch gleichberechtigte Teilhabe, Rechenschafts-pflicht und Transparenz gegenüber der Bevölkerung. Das sorgt für mehr Akzeptanz.
• Bessere Daten
Erhebungsinstrumente wie etwa Interviewleitfäden oder Fragebögen können patientenfreundlicher gestaltet und damit die Mitarbeit verbessert werden. Der Einbezug der Patientensicht- und Erfahrung hilft, die richtigen Fragen zu stellen. Das bringt neue und bessere Erkenntnisse und Ergebnisse.
• Weniger Studienabbrecher
Partizipation kann helfen, Probanden - auch solche aus vulnerablen und schwer erreichbaren Gruppen - zu gewinnen. Die Forschungsmethoden können auf die Möglichkeiten der Erkrankten abgestimmt werden, so dass diese weniger häufig abbrechen.
• Anschaulichere Darstellung der Ergebnisse
Betroffene helfen, die Studienergebnisse laienverständlich und für ein breites Publikum aufzubereiten. Sie sind Botschafter der Forschungsbefunde und liefern Feedback für Entscheidungsträger.

Einzelne Akteure haben hierfür bereits Verhaltensgrundsätze (Kodizes, engl. Codes of Practice) aufgestellt und implementiert.

Leitlinien aus Patientensicht hat beispielsweise EUPATI entwickelt. Die unabhängige Selbsthilfe über ihren Dachverband Haus der Krebs-Selbsthilfe entwickelt derzeit einen neuen Leitfaden für Patientenvertreterinnen und -vertreter, der Orientierung für die Patientenbeteiligung in Gremien und Forschung prozessorientiert und nach Grad der Beteiligung gibt.

Einbindung von Patientenbeiräten

Eine weitere Möglichkeit zum Einbezug der Patientensicht ist ein Patientenbeirat. Selbsthilfeorganisationen bieten hier hilfreiche vorbereitende Schulungen an. In solchen Beiräten treffen sich - parallel zur Entwicklung einer Studie - Betroffene mit den Forschenden sowie untereinander und diskutieren Themen wie verschiedene Therapieformen (Interventionen) und deren Ergebnisse (Outcome) oder Formen der Gewinnung (Rekrutierung) von Probanden. Die Ergebnisse werden dann den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern kommuniziert.

Vertretung sensibler Personengruppen: Patientenfürsprechende

Nicht alle Patientengruppen sind jedoch in der Lage, direkt an Forschungsprozessen mitzuwirken, wie beispielsweise Menschen mit kognitiven oder körperlichen Einschränkungen. Hier kann eine neutrale Person, z. B. in Form eines so genannten Patientenfürsprechenden – das ist eine unabhängige Fachperson mit guten sozialen und kommunikativen Fähigkeiten – mit den Mitgliedern des Beirats in ihrem gewohnten Umfeld sprechen und ihre Perspektive den Forschenden näherbringen. Auch Angehörige können entsprechend einbezogen werden und diese Funktion übernehmen. Das BMBF fördert die Entwicklung von solchen Konzepten, die insbesondere den Einbezug von schwer erreichbaren oder besonders sensiblen (vulnerablen) Gruppen ermöglichen (siehe Weitere Informationen am Textende).

Rechtliche Grundlage für die Beteiligung von Patientenorganisationen

„Die für die Wahrnehmung der Interessen der Patientinnen und Patienten und der Selbsthilfe chronisch kranker und behinderter Menschen maßgeblichen Organisationen sind in Fragen, die die Versorgung betreffen, […] zu beteiligen“ – so heißt es in der Patientenbeteiligungsverordnung (§ 140 f SGB V). Das ermöglicht einen konstruktiven und gleichberechtigten Dialog zwischen Patientinnen und Patienten mit weiteren Akteuren aus Forschung und Entwicklung. Hierin sind u.a. Ansprüche auf Übernahme von Reisekosten, Aufwandsentschädigung und Verdienstausfall der Beteiligten festgelegt.

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